Schimmelpilzbildung – Wieso? Weshalb? Warum?

Schimmelpilzbildung – Wieso? Weshalb? Warum?

Autor: Dipl.-Ing. (FH) Matthias Marx, Stand: 10/2011

Einleitung

Auf der Erde wäre ein Leben ohne Mikroorganismen, Bakterien und Pilze weder vorstellbar noch machbar. Sie sind lebensnotwendiger Bestandteil in unserem Ökosystem, da sie dafür verantwortlich zeichnen, Materialien biologisch zu zersetzen, aufzuspalten und anderen Lebensmechanismen wieder zur Verfügung zu stellen. In der Regel spielt sich dieser immer wiederkehrende Kreislauf draußen in der Natur ab. Doch leider kann dies, bei günstigen Rahmenbedingungen und zunehmender Reduzierung der Transmissions- und Lüftungswärmeverluste, zu einem Schimmelpilzbefall in Gebäuden führen.

In Folge dessen nehmen Streitigkeiten vor Gerichten zu, da die Schuldfrage im Vorfeld nicht geklärt werden kann. Diese Publikation soll Betroffenen dabei helfen, durch Überprüfung verschiedener Rahmenparameter und Erläuterung wichtiger bauphysikalischer Zusammenhänge, gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden, die Ursache zu ergründen und entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten.

Schimmelpilzwachstum

Schimmel benötigt zum Wachstum Feuchtigkeit, Nährboden und Temperatur. Schimmelpilze gedeihen auch unter ungünstigen Bedingungen, wobei Wärme das Wachstum beschleunigt. Schimmelpilze besitzen ein watteartiges Myzel. Sie gedeihen auf festen Nährmedien, die Gewinnung der Nährstoffe geschieht durch Zersetzung abgestorbener organischer Substanzen.

Ideale Wachstumsvoraussetzungen von Schimmelpilzen sind bei 80 % Feuchtigkeit gegeben, wobei Schimmelpilze sowohl aus dem Nährboden als auch aus der Umgebungsluft Feuchtigkeit beziehen. Es existieren aber auch Schimmelpilzarten - xerophile Pilze - die bereits weit unter 80 % relativer Luftfeuchtigkeit wachsen können. Somit ist eine relative Luftfeuchtigkeit von mehr als 65-70 % als kritisch einzustufen und in Folge dessen zwingend erforderlich, ein ausgewogenes Raumklima einzuhalten, aber dazu später mehr.

Raumklima

Ein angemessenes hygienisches Raumklima - Raumklima und Behaglichkeit - hängt von einer Reihe bestimmter äußerer Einflussgrößen ab. Im wesentlichen ist es die richtige Kombination aus Lichtverhältnissen, hygienischen, physiologischen und thermischen Einwirkungen. Letzteres wird durch die Haupteinflussgrößen wie Raumlufttemperatur, mittlere Oberflächentemperatur der raumumschließenden Umfassungsflächen, Wärmeableitung von Umfassungsflächen, Luftgeschwindigkeit und relative Feuchtigkeit in der Raumluft bestimmt.

Vor diesem Hintergrund sollte in Wohnräumen möglichst ein Raumklima vorgehalten werden, das den Lebensvorgängen - wie Alter, Aktivität, Gesundheitszustand, Bekleidung etc. - eines gesunden menschlichen Körpers angepasst ist.

Eine ausgewogene Klimasituation innerhalb einer Wohnung oder Gebäude ist ein labiler Gleichgewichtszustand. Die hygrothermischen Randbedingungen von Raumlufttemperatur, Oberflächentemperatur und Raumluftfeuchtigkeit hängen direkt miteinander und untereinander ab bzw. zusammen. Verändert sich eine dieser drei Raumklimata, muss ein unmittelbarer Ausgleich durch die beiden anderen erfolgen, damit das Mikroklima an der raumseitigen Bauteiloberfläche nicht aus dem bauphysikalischen Gleichgewicht gerät. Erfolgt kein Ausgleich, kann es zu einem hygrothermisch bedingtenSchimmelpilzbefall kommen.

Als empfehlenswertes “behagliches” Raumklima - bei dem unter Einhaltung entsprechenderhygrothermischer Randbedingungen in der Regel kein Schimmelpilzwachstum stattfindet - gilt für Sommer und Winter ein Bereich zwischen 40 und 45 %, ± 5 %,  rel. Raumluftfeuchtigkeit als behaglich. Diese Behaglichkeitsannahme ist temperaturabhängig und sollte bei einer Raumlufttemperatur von 20 oC, erzielt werden. Im Idealzustand sollten die Oberflächentemperaturen der Umfassungsflächen - wie Decken, Böden, Wände und Fenster - einander angeglichen sein und sich von der Raumlufttemperatur so wenig wie möglich unterscheiden.

Raumluftfeuchtigkeit, Raumlufttemperatur und Oberflächentemperatur

Die weiter oben beschriebene Feuchtigkeitsvoraussetzung zur Schimmelpilzbildung ist aber nicht gleichzusetzen mit der rel. Luftfeuchtigkeit im Raum selbst, da die rel. Luftfeuchtigkeit lediglich das Verhältnis des absoluten Feuchtegehalts zum Sättigungsgehalt der Raumluft beschreibt. Sie ist abhängig von der jeweiligen Raumluftinnen- als auch von der Bauteiloberflächentemperatur.

Setzt man voraus, dass die rel. Luftfeuchtigkeit im Raum gleich ist, und die Innentemperatur größer ist als dieOberflächentemperatur an der Wand, ergibt sich unmittelbar an der Wandoberfläche eine höhere rel. Luftfeuchtigkeit als in der Raummitte. Siehe Skizze

Oberflächenfeuchtigkeit

Die Skizze zeigt eine schematische Darstellung der sich einstellenden Innenoberflächentemperatur sowie der rel. Feuchten an Ecken oder hinter einem Schrank an einer Außenwand, bei einer Raumlufttemperatur von 20 Grad Celsius und angenommenen Raumluftfeuchte von 55 % und einer Außenlufttemperatur von -5 Grad, und einem angenommenen mittleren Wärmedurchlasswiderstand für die Wand von 3,5 m2K/W (U-Wert 0,28 W/m2K)

Sinkt die Oberflächentemperatur der Wand soweit ab, dass sich unmittelbar an der Wandoberfläche - über mehrere Stunden - eine rel. Feuchtigkeit von mehr als 80 % einstellt wird sich je nach vorhanden sein entsprechender Nährsubstrate und Dauer der Feuchtigkeitseinwirkung Schimmelpilzbildung einstellen. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass sich bereits ab einer rel. Oberflächenfeuchte von mehr als 70 % - je nach Pilzgattung (siehe Erläuterung weiter oben) - und erhöhtem vorhanden sein von optimalen Nährböden und längerer Feuchtigkeitseinwirkung, Schimmelpilz bilden kann.

Kontrolle Raumklima / Lüftung

Auf der Grundlage der oben aufgeführten physikalischen Erklärungen stellt sich die Frage, was ist das ideale Raumklima, wie kontrolliere ich dieses und was kann ich tun um das ideale Raumklima nachhaltig zu erzielen. Zunächst muss jedoch beachtet werden, dass Luft nur eine begrenzte Menge Feuchtigkeit - in Abhängigkeit der Temperatur - aufnehmen kann. siehe auch unten aufgelistete Tabelle Wassergehalt zur Lufttemperatur.

Kein Wohnungsnutzer macht sich Gedanken darüber, wie viel Feuchtigkeit innerhalb eines Tages erzeugt und an die Raumluft abgegeben wird. Durch Zimmer- und Topfpflanzen, Baden, Duschen, Wäsche waschen und trocknen, sowie das tägliche Kochen, wir die Luft innerhalb einer Wohnung mit Feuchtigkeit beaufschlagt. Addiert man zu dieser Feuchtebelastung noch die Feuchtigkeit aus Atmen und Schwitzen der Nutzer hinzu, so ergeben sich schnell 3-5 Liter Feuchtebelastung pro Nutzer und Tag. Das hört sich zunächst nicht viel an, soll aber an folgendem Beispiel näher erläutert werden.

Wir betrachten mal eine Wohnung/Wohnbereich von 70 qm. Bei einer mittleren Raumhöhe von 2,50 m ergeben sich somit 175 cbm Wohnungsvolumen. Der maximale Wasserdampfgehalt cs im Sättigungszustand der Luft ist abhängig von der Temperatur. Bei einer mittleren Raumtemperatur von 20 Grad können maximal 17,3 g Feuchtigkeit pro cbm Raumluftvolumen  aufgenommen werden und weißt dann eine relative Raumluftfeuchtigkeit von 100 % auf.

Sättigungstabelle

Das wäre dann bei 175 cm Raumvolumen eine Menge von insgesamt 3.027,50 g oder rund 3 Liter Feuchtigkeit, bzw. Wasser bevor es zu einer Auskondensation kommen würde. Geht man nun noch von einer mittleren rel. IST-Raumluftfeuchtigkeit von 45 % aus, so ergibt sich folgender Wasserdampfgehalt im IST-Zustand.

cs = 17,3 g/cbm * 175 cbm * 45 % = 1.362,37 g - Feuchtigkeit in der Raumluft

Addiert man nun zu diesem vorhandenen mittleren Wassergehalt die Feuchtigkeitsbeaufschlagung aus Wohnungsnutzern von 3-5 Litern pro Person und Tag, so ergeben sich kritische relative Raumluftfeuchten weit über 100 % relative Raumluftfeuchtigkeit.

cs (gesamt) = cs (ist) + cs (Nutzer) = 1.362,37 g + 3.000 g = 4.362,37 g > 100 %

Aus dem vorstehenden Beispiel wird deutlich, dass die Feuchtebeaufschlagung durch Nutzer die relative Raumluftfeuchtigkeit erheblich ansteigen lässt, wenn nicht auskömmlich gelüftet wird. Diese nicht abgelüftete Feuchtigkeit kann dann bei längerer Beaufschlagung an Bauteiloberflächen in Folge Kondensatbildung zu Schimmel, Material- sowie Gesundheitsschäden führen.

Um eine evtl. Kondensatbildung durch anhaltend hohe rel. Raumluftfeuchtigkeit im Wohnraum zu vermeiden, sollte die Raumtemperatur so konstant wie möglich bei etwa 20 bis 21 Grad Celsius und gleichzeitig die relative Raumluftfeuchtigkeit bei etwa 40 bis 45 % gehalten werden. Da der Mensch keinen Spürsinn für feucht oder trocken hat, ist es zwingend notwendig, diese Parameter (Raumtemperatur und rel. Feuchtigkeit) innerhalb einer Wohnung oder Wohnbereich durch geeignete Messgeräte wie Thermometer und Hygrometer dauerhaft zu überwachen. Es hat sich als förderlich herausgestellt pro Etage eine Messstelle einzurichten. Sobald o.g. Grenzwerte unter- bzw. überschritten werden gilt es zu heizen bzw. zu lüften.

Es existieren unterschiedliche Empfehlungen wie am Besten gelüftet werden soll. Es hat sich in der Praxis als sehr nützlich herausgestellt, zwei gegenüberliegende Fenster auf Kipp zu stellen und so für eine permanente Durchlüftung zu sorgen, ohne deutliche Absenkung der Raumlufttemperatur. Hierdurch erfolgt ein langsamer aber konstanter Luftaustausch bei stetiger Erwärmung der Frischluft, so dass diese Wasserdampf leichter und effektiver aufnehmen kann und so eine nachhaltige Entfeuchtung statt findet.

Siehe auch unsere Publikation: Richtig lüften, aber wie?

Was tun bei Schimmelpilzbefall?

Schimmelpilze können grundsätzlich - egal ob im lebenden oder abgetöteten Zustand - bei Menschen Gesundheitsschäden hervorrufen, wobei Menschen, die zu Asthma, Neurodermitis, Heuschnupfen u.ä. (Atopiker) neigen, eher gefährdet sind als andere Menschen (Nichtatopiker)

Da es bezüglich Sanierung von Schimmelpilzschäden auf Grund der Komplexität des Problems keine verbindliche Sanierungsmethoden zur Schadensbehebung existieren und unterschiedliche technische Sanierungsverfahren am Markt platziert sind, sollte rechtzeitig externer Sachverstand eingeholt werden, um die Ursache der Feucht- und Schimmelbelastung zu klären.

Wird in Wohnräumen Schimmelpilze an Bauteiloberflächen entdeckt und handelt es sich um eine kleine lokale Stelle, können hilfsweise die befallenen Stellen mit 70 % Alkohol, Brennspiritus oder Wasserstoffperoxyd - nachdem die befeuchteten befallenen Materialien wie Tapeten, Bodenbelag, Holz etc. entfernt wurden - behandelt werden. Wichtig ist, dass man die Sicherheitshinweise der Materialien beachtet sowie entsprechende Sicherheitsbekleidung wie Handschuhe, Schutzbrille, Atemschutz etc. trägt.

Ansonsten Hände weg und wie oben beschrieben einen Sachverständigen einschalten!

Zusammenfassung

Bei einem Schimmelpilzbefall sollte zuerst die Ursache geklärt werden. Das kann zum Teil - anhand folgender Punkte - leicht selbst überprüft werden.

  • Liegt eine Rohrleckage (Undichtigkeit) vor?
  • Kann von außen Feuchtigkeit eindringen?
  • Liegt ideales Raumklima vor?
  • Liegt erhöhte Bauteilfeuchte aus Bautätigkeit (Neubau/Sanierung) vor?
  • Stehen die Möbel, Assecoirs, Vorhänge vor Außenwänden und hintern die Zirkulation?
  • Finden in den Ecken von zwei Außenwänden Luftzirkulation und somit Luftaustausch statt?

Die Liste hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Erst wenn alle Punkte überprüft sind und keine Ursachenklärung erfolgen konnte, sollte externer Sachverstand eingeholt werden.