Sind Photovoltaik-Anlagen wirtschaftlich?
Autor: Dipl.-Ing. (FH) Matthias Marx, Stand: 03/2012
Einleitung
Nachdem das zweijährige Studium zum Wirtschaftsmediator (IHK) im Februar 2012 erfolgreich abgeschlossen wurde, kann sich der Autor nunmehr wieder wichtigen Themen widmen. Als Sachverständiger für Energieeffizienz musste in der Vergangenheit mehrfach über die Wirtschaftlichkeit von Photovoltaikanlagen - nachfolgend PV-Anlagen genannt - entsprechende Überlegungen anstellen, um diese Frage für zukünftige Anlagenbetreiber beantworten zu können. Die gewonnen Ergebnisse führten zu dieser Publikation.
Was ist eine PV-Anlage
Grundsätzlich soll in dieser Publikation nicht über Funktionsweise und Modultechnik näher eingegangen werden, da hierzu im Internet zahlreiche Seiten bzw. Internetadressen, auf denen man alles Wichtige nachlesen kann, existieren. PV-Anlagen erzeugen über entsprechende Module und mittels Sonnenlicht Strom mit einer Spannung von 12 oder 24 Volt. Diese Spannung wird über Wechselrichter auf eine Spannung von 220 Volt transformiert und in das vorgelagerte Ortsnetz der Versorger eingespeist oder als Eigenstrom selbst - in der eigenen Immobilie - verbraucht und nur Überschüsse in das Ortsnetz eingespeist.
Hilfreiche Internetseiten sind:
Diese Liste von Internetadressen hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ist jederzeit erweiterbar. Sie soll lediglich dazu dienen, sich schnell, kurz und bündig zu orientieren. Sollten interessierte Leser der Meinung sein, dass weitere Adressen lesenswert sein sollten um sie hier einzufügen, ist der Autor für Infos dankbar.
Wirtschaftlichkeit
Widmen wir uns nun dem eigentlichen Thema dieser Publikation - nämlich der Wirtschaftlichkeit von PV-Anlagen. Aus vielen Werbeveranstaltungen, Presseberichten, Reklame- und Verkaufsprospekten hört bzw. liest man wie wirtschaftlich PV-Anlagen sind. Da werden auf der einen Seite Renditen des eingesetzten Kapitals von 8 bis 12 %, sowie beachtliche Wertsteigerungen der Immobilie und auf der anderen Seite der Umweltgedanke - Beitrag zum Umweltschutz - und bei weiter steigenden Strompreisen ein steigender Profit in Aussicht gestellt.
Ist das so?
Dieser Frage geht diese Publikation nach und stellt hierzu einige kritische Überlegungen an. Um eine Aussage über die Wirtschaftlichkeit von PV-Anlagen treffen zu können, muss man einige Parameter berücksichtigen.
- Dachanlage oder Freiflächenanlagen
- Investitionskosten der PV-Anlagen
- jährliche Unterhaltungskosten
- Berücksichtigung der Einnahmen aus Einspeisung oder Eigenverbrauch
- Größe der PV-Anlagen
- Nutzungs- und Abschreibungsdauer
- Einsatz von Fremd- oder Eigenmittel
- Kapitalkosten
- Wertverlust
- Rückbaukosten nach Nutzungsende
- etc.
Trotz mehrfacher Aufforderung an PV-Anlagen-Anbieter konnte dem Autor bisher keine aussagefähige und nachvollziehbare Wirtschaftlichkeitsbetrachtung bzw. Abschätzung vorgelegt werden. Warum das so ist wird durch nachfolgende Betrachtung deutlich.
Beispiel 1
Wir bauen eine PV-Anlage (Bj. 2011) als Dachanlage, die nach Süden optimal ausgerichtet ist und eine Leistung von rund 10 kWp - 95 % der PV-Anlagen auf Hausdächern besitzen eine Leistung von 2 bis 10 kWp - haben soll. Die Anlage wird komplett fremd finanziert und speist den erzeugten Strom in das vorgelagerte Ortsnetz des Versorgers ein. Kosten der Anlage inkl. Umbau der Netzeinspeisung, Gerüst, Montagekosten, evtl. erforderlicher Dacharbeiten etc. werden mit 25.000 EUR zzgl. Mwst., ausmachend also 2.500 €/kWpeak angenommen.
Beschreibung der einzelnen Punkte
- Jede Anlagenart bei der Energie in Leistung umgewandelt wird, haben wir es mit dem Wirkungsgrad zu tun. Es leuchtet ein, dass wir bei 100 % Energieeinsatz nicht 100 % Leistung erhalten. Wir müssen in den verschiedensten Anlagen Verluste hinnehmen. Die Wirkungsgrade bei PV-Anlagen sind unterschiedlich und hängen von verschiedenen Parameter wie z.B. Leitungswiderstände, Länge der Leitungen, insbesondere Wechselrichter, Einspeiselänge etc. ab. Darüber hinaus verlieren PV-Anlagen über die Jahre - aus Materialermüdung - nach 10 Jahren, jedes Jahr weiter an Wirkung. Der Autor rechnet der Einfachheithalber linear in den ersten 10 Jahren mit 90 % und für die restlichen Jahre mit 85 % Wirkungsgrad
- Der Steuersatz um den Gewinn zu versteuern wird mit 35 % angenommen
- Installierte Leistung in kWpeak
- Angenommene Sonnenscheinstunden pro kWpeak. Diese sind in der BRD nach Regionen ganz unterschiedlich. Eine Übersicht der Sonnenscheindauer kann aus dem Internet entnommen werden.
- Einspeisevergütung 2011 nach EEG --> siehe auch www.solar-und-windenergie.de Die Einspeisevergütung wird sich 2012 und in den nachfolgenden Jahren weiter reduzieren. Hintergrund dieser gesetzlichen Korrektur sind der Wegfall von Subventionen, die durch den Steuerzahler und Stromnutzer über den Strompreis gezahlt wurden. Zukünftig wird bei steigenden Strompreisen der Fokus auf Eigenverbrauch bei PV-Anlagen - was auch nachvollziehbar ist - liegen und nur noch Überschussstrom in das Stromnetz eingespeist wird. Dies wird die Kraftwerke entlasten und nachhaltig verzichtbar machen. Siehe hierzu auch Publikation “Kraftwerke der Zukunft”
- Eigenstrombedarf der natürlich nicht größer sein kann als der tatsächliche Strom im Gebäude
- Einspeisevergütung plus Bonuszahlung pro eingesparter kWh nach EEG.
- Investitionskosten inkl. Montage, Gerüst, Umrüstungskosten für Zähleranlage etc. Hier dürfen nicht nur die alleinigen PV-Anlagenkosten berücksichtigt werden. In der Regel werden noch zusätzliche Kosten wie z.B. Gerüst- und Sicherheitskosten, Umrüstungskosten, Hausanschlusskosten, Dacharbeiten evtl. vorgelagerte Netzkosten, Überprüfung der Netzverträglichkeit etc. fällig. Also bitte alle erforderlichen Kosten müssen berücksichtigt werden. Diese sind für jedes Projekt unterschiedlich hoch.
- Die errechnete Soll-Gesamtstrommenge ohne Verluste, die pro Jahr erzielt werden sollte.
- Aktueller Strompreis, ist von Ort zu Ort verschieden
- Bonuszahlung zur Zeit nach dem EEG, für jede Kilowattstunde, die durch Eigenverbrauch eingespart wird.
- jährliche Strompreissteigerung in % p.a.
- Kapitalzins in % p.a. mit dem im Normalfall das eingesetzte Kapital - gilt nur bei Einsatz von Eigenmittel, siehe Bsp. 2 - verzinst gäbe. Man kann dies auch als entgangene Zinseinnahmen pro Jahr nennen.
- Dies ist der Preis pro kWpeak. Je niedriger dieser Wert ist, desto höher wird die Rendite.
- Berechnung der Einnahmen unter Berücksichtigung des abnehmenden Wirkungsgrades und der Einspeisevergütung nach EEG, sowie bei Eigenverbrauch der zur Zeit gültigen Bonuszahlungen für jede eingesparte kWh und einer Preissteigerungsrate. siehe Pkt. 12
- Bei einer kfW-Finanzierung sind die ersten zwei Jahre Tilgungsfrei und es müssen nur Zinsen gezahlt werden. Der übliche Zinssatz dürfte zur Zeit bei einer LZ von 20 Jahren bei ca. 4 % liegen.
- Die Anlage kann pro Jahr mit 5 % zusätzlich abgeschrieben werden
- Jede Anlage muss jährlich mehr oder weniger gewartet oder instand gesetzt werden. Hierzu gibt es Ansatzwerte in Prozentsätzen nach der VDI 2067 auf Grundlage des Investitionsbetrages. Bei hohen Investitionsbeiträgen nehmen diese ab. Auch hier wird der einfachheithalber linear gerechnet. Hier ist die PV-Anlage richtig zu versichern - insbesondere vor dem Hintergrund, dass jeder PV-Anlagen-Betreiber als Unternehmer eingestuft wird. Je nach Einzelfallprüfung kann es auch notwendig werden die Gebäudeversicherung anzupassen. Diese Beträge fallen jedes Jahr aufs neue an. Wie weiter oben beschrieben muss jede Anlage gewartet werden. Dies kann unterschiedlich ausfallen - mal mehr mal weniger - und das dies nicht immer notwendig wird oder ist und von vielen Faktoren abhängig ist, wird dieser Betrag auf ein Rückstellungskonto - hier Nr. 2 - verbucht. Würden nun keine Wartungsarbeiten auf die LZ anfallen - was aber eigentlich nie der Fall ist - könnte dieser Betrag am Ende der Nutzungsdauer in die Renditebetrachtung einfließen. Fallen aber Wartungs- und Instandsetzungskosten an - es muss z.B. Gerüst gestellt werden - dann sind diese Kosten schnell verbraucht. Ebenso können Teile der Anlage kaputt gehen. Insbesondere der Wechselrichter wird mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht 20 Jahre halten. Diese Teile sind besonders teuer. Oder es geht z.B. ein Modul kaputt. Auch hier sind dann mit erheblichen Kosten zu rechnen, da bei Nichtbeachtung die PV-Anlage nicht mehr ihre volle Leistung bringt. Darüber hinaus plant der Gesetzgeber nach Nutzungsdauer den Rückbau der Anlagen gesetzlich zu regeln. Vor diesem Hintergrund werden 1 % der Investitionskosten auf das Rückstellkonto - hier Nr. 1 - verbucht.
- Berechnung der Einnahmen für die Steuerberechnung.
- zu zahlende Steuer p.a. bei einen 35 % Steuersatz
- Hier wird letztendlich der cash-flow, der absolute Gewinn - unter Berücksichtigung der Ein-/Ausgaben - aufgezeigt. Darüber hinaus wird in den blauen Zeilen am oberen Ende des Blattes die Rendite p.a. über die LZ ermittelt.
Zwischenfazit
Wie man der Wirtschaftlichkeitseinschätzung entnehmen kann, werden durch die ersten beiden tilgungsfreien Jahren ein kleines Polster aufgebaut, das aber bis zum 10.ten Jahr, wegen Tilgung an die Bank, dahin schmilzt. Die Rückstellkonten weisen einen Betrag von gerade einmal 3.750 EUR auf. Geht nur ein größeres Teil z.B. Wechselrichter kaputt, ist das ganze Geld auf den Rückstellkonten weg und im schlimmsten Fall rutscht man in die roten Zahlen und muss sogar noch Geld nachschießen. Erst wenn die Schulden nach 20 Jahren getilgt sind, kehrt Besserung ein. Man muss also 20 Jahre zuwarten, bis man was ernten kann, wenn die Anlage vorher nicht kaputt geht. Vor diesem Hintergrund ist nach Auffassung des Autors das Ausfall- und Finanzierungsrisiko als sehr hoch einzustufen.
Beispiel 2
Wir betrachten nun die gleiche PV-Anlage (Bj. 2011) als Dachanlage, nun aber durch Eigenmittel finanziert.
Beschreibung der einzelnen Punkte
- Eingesetztes Eigenkapital - Einmalzahlung
- Das eingesetzte Kapital wird über einen Betrachtungszeitraum von 25 Jahren aufgebraucht, da die Anlage - wie übrigens alle Anlagen - nach Ablauf des Nutzungszeitraumes nichts mehr wert ist. Darüber hinaus muss ein Zinsverlust pro Jahr für das eingesetzte Kapital berücksichtigt werden, da bei einer Geldanlage ja Zinserträge erwirtschaftet werden.
- siehe hierzu Punkt 21
Zwischenfazit
Zunächst wachsen die Gewinne bis zum 10.ten Jahr an. Danach werden diese durch die Steuerbelastung aufgezehrt, so daß die Rendite bis zum 25 Jahr rückläufig ist. Danach steigen sie wieder an. Auch hier fällt die Renditeerwartung sehr niedrig und das Finanzierungsrisiko sehr hoch aus.
Beispiel 3 + 4
Betrachten wir nun die gleiche Anlage als Finanzierungs- und Eigenkapitalmodell, jedoch daß 6000 kWh pro Jahr in der eigenen Immobilie als Eigenverbrauch genutzt werden.
Zwischenfazit
Werden der erzeugte Strom selbst genutzt, erfolgt zur Zeit nach dem EEG pro eingesparte kWh eine Bonuszahlung. siehe hierzu auch Punkt 11. Nur durch die Bonuszahlung erhält man eine moderate Rendite zwischen 4 und 6 %. Entfällt zukünftig diese Bonuszahlung, fällt auch hier die Renditeerwartung niedrig und somit negativ aus.das Finanzierungsrisiko sehr hoch aus.
Wie den Wirtschaftlichkeitsabschätzungen zu entnehmen ist, hängt die Rendite von folgenden Parametern ab. Investitionsvolumen - Größe der Anlage - Finanziert oder Eigenmittel - Stromeinspeisung oder Eigenverbrauch.
Stellt sich die Frage, ab wann rechnet sich überhaupt eine PV-Anlage? Hierzu wurden nachstehende Tabellen entwickelt.
Zusammenfassung/Ausblick
Von den werbewirksamen und plakativen Aussagen “Noch nie war Solartechnik so rentabel”; “Eine sehr lohnende Investion”; “Verzinsung des eingesetzten Kapitals von bis zu 12 %”; “Beachtliche Wertsteigerung der eigenen Immobilie”; usw. usw., darf man sich nicht blenden lassen. Jedes Dach und jede Anlage ist unterschiedlich und bedarf einer gesonderten ganzheitlichen Betrachtung aller Kosten durch einen unabhängigen, freien und objektiven Sachverständigen für Energiewirtschaft. Ansonsten besteht die Gefahr, dass PV-Anlagen-Betreiber Risiken eingehen, die zu einem Finanzierungsdesaster führen können.
Wie man den o.g. Tabellen entnehmen kann, sind Anlagen erst nach langer Laufzeit > 25 Jahre und ab 20 KWpeak aufwärts ausreichend rentabel, so dass jeder für sich entscheiden muss, was für Ihn sinnvoll ist oder nicht.
Ökologisch sind PV-Anlagen - von der Renditeerwartung mal abgesehen - auf jeden Fall zu empfehlen, sobald der Strom in der eigenen Immobilie verbraucht wird, da dies die zentralen Kraftwerke schont bzw. den Neubau von Kraftwerken vermeidet. Siehe hierzu auch Publikation Kraftwerk der Zukunft. Dies wird in der Zukunft weiter verstärkt werden, wenn die Elektromobilität stärker in den Focus rückt und die Stromnetze optimiert, ergänzt, ausgebaut, besser und intelligenter vernetzt werden.
Darüber hinaus sind weiter sinkende Modulpreis - es müssen pro kWpeak < 1.100 EUR erreicht werden - erforderlich um eine nachhaltige Wirtschaftlichkeit zu gewährleisten. Diese wird aber wohl noch einige Jahre dauern.
Bei richtiger Planung von PV-Anlagen und neutralem externen Sachverstand können PV-Anlagen durchaus sinnvoll sein, insbesondere mit dem Hintergrund des Eigenverbrauchs.
Deshalb zuerst denken, dann handeln!